Gedicht und Limerick – Schaffensphase Mai – Juni 2000
Von Brücken und Verbindungen
Ein Kanal
Abgezirkelt
Wasserfluss festgelegt.
Eckige Kanten stoßen
auf fließendes Wasser.
Ein Element wird eingepresst,
gezwungen in eine Form.
Eine Gewalt wird gezähmt,
oder versucht zu zähmen.
Der Versuch dieser Zähmung
kann nur scheitern.
Urgewalten sind urgewaltig
und nicht zu bändigen.
Mit dieser Überbrücke
und der geteerten Straße
wird es kein gutes Ende nehmen.
Diese Betonkreatur,
sie schwebt über den Kanal
und verbindet zwei Ufer.
Doch schon bald werden Wassermassen,
etwas gegen diese Verbindung haben.
Sie werden sie trennen,
gänzlich aufheben,
kappen und vernichten.
So als hätte es die Betonkreatur,
niemals so richtig gegeben.
Nur ein Pfeiler würde noch,
als stummer, blinder Zeuge,
allein und einsam im Kanal stehen.
Das Urteil des Flughafen-Gerichts
Eine eigene Gerichtsbarkeit
Das Flughafen-Gericht
Richter, die abheben,
Anwälte, die durchstarten.
So mancher Fall,
nahm eine überraschende Wendung.
Internationale Sachverhalte
Multinationale Regelungen
Welches Recht ist anwendbar?
Vorrang und Subsidiarität
Tausende Fallstricke warten,
lauern auf einen Rechtsanwender,
der Fehler macht
und Dinge im Tiefflug übersieht.
Komplizierte Anhörungen
Beweise fliegen manchmal herbei
Im wahrsten Sinne des Wortes
Urteil gefallen
Ein Streit,
der nun beigelegt ist.
Zufriedene Parteien
Ein System,
das funktioniert.
Den Abhang hinunter – Ein Leben im Rückblick
Steht das Leben kurz vor dem Ende
und geht es bergab mit dem Gelände,
so zieht das Leben wie ein Film vorbei
in einer schnellen Raserei,
allerdings ganz ohne Leinwände.
Wie lebt es sich unter der Stadt?
Hinabfahren,
Hinabsteigen
in den Untergrund.
Künstliches Licht.
Keine Jahreszeiten.
Ohne Zeitgefühl.
Der Ablauf
ewig,
ewig gleich:
Rattern, Ruckeln,
typischer Geruch,
zu viele Menschen,
Gedränge, Schubsen, Schieben,
keine Luft,
eingezwängt,
rennen, hasten, verpassen,
warten.
Der nächste überfüllte Zug,
ausgespuckt in die Kälte,
zur Arbeit eilen,
müde zurückkehren.
Drangvolle Enge,
eingequetscht.
Lesen im Buch
des Nachbarn.
Parfüm der
Frau nebenan.
Musik für den Waggon.
Der Alptraum ist wieder da,
er wiederholt sich
jeden Tag
millionenfach.
Ist das noch würdig?
Die Ruhestufen am Fluss
Steinerne Stufen
hinab,
Tor zur Ruhe
durchstoßen,
Mauer.
Dahingleiten neben den Wellen,
weit weg,
für sich.
Oase,
Friedenspol.
Weiterschreiten,
ewiges Gleiten,
goldglänzendes Band,
niemals durchbrochen.
Abgetaucht
in eigene Welt.
Parallelkosmos.
Zwischen der Stadt
und mir:
der Fluss.
Das bunte Treiben
drüben,
die stille Kontemplation
hienieden.
Die steinernen Stufen
ausgetreten.
Ruhe gesucht
haben schon viele.
Gefunden?
Manche auf Zeit,
manche nie.
Zu gestresst.
Abschalten unmöglich.
Auf dem Fluss
treiben?
Nein.
Das wäre andere Welt,
nicht die Uferwelt.
Der Rächer mit großem Auftritt
Er liebt die Rache,
wie keine andere Sache.
Er inszeniert sich selbst sehr gern,
genießt den großen Lärm
um das Zehnfache.
Sinnieren auf der Kaufhausterrasse
Kühle Limonade in der Hand,
Blick über Dächer wie von Zauberhand:
nach Norden Richtung Montmartre,
Sacré-Cœur schimmert matt weiß.
Im Süden glänzt Invalidenkuppel,
sticht heraus aus dem Ockergrau.
Schräg gegenüber l’Opéra,
grünes Dach voller Körbe,
Bienen summen.
Südöstlich Grand Palais,
filigrane Glaskuppel.
Seine bleibt unsichtbar,
Verkehr unhörbar.
Menschen von hier winzig klein.
Besucher wie auf Ozeandampfer,
der stillsteht,
Brandung trotzt,
schon über 100 Jahre
auf Fahrt,
ungewiss wie lange noch?
Schwesternschiff nebenan,
verbunden
reell und im Geiste.
Explosion eines Reihenwohnhauses
Einer sieht für sich das Ende
und führt herbei eine blutige Wende.
Sein Heil liegt in einer Explosion
und die trifft wahrlich nicht nur seinen Sohn.
Nein, ein ganzer Block muss dranglauben,
Reihenhausbewohner machen Augen.
Einmal wird es explodieren
und alle werden alles verlieren.
Nur wenn das ganze Wohnhaus brennt
und einer um sein Leben rennt,
wird das Schlechte triumphieren!
Ein Festival zur Erinnerung
Gedenken an die Unruhen
Sieben Jahre zuvor
Zäsur einer Stadt
Musik als Bewältigung
Stax Records lädt ein,
zu einem der größten Feste,
Freilufttanzveranstaltung,
der Superlative.
Tonwellen erheben sich,
Töne vermischen sich,
zu einem ganzen Musikbrei.
Ein Golden Globe als Auszeichnung
der Aufzeichnung.
Ein Festival,
das in die Geschichte einging.
Auf Spurensuche im Nationalarchiv
Nationaler Platz
an historischem Ort,
eingebettet in Tradition.
Repräsentanz,
Farbe Sandstein,
Zugang beschränkt,
Interesse nachweisen,
ansonsten Sperre verhängt.
Neuer Nutzer wird fotografiert,
katalogisiert, für berechtigt klassifiziert.
Lesesaal im ersten Stock,
heilige Schmökerruhe.
Aufsicht mit Überblick,
bestellten Karton abholen,
bei seltsamen Leuten, gar nicht qualifiziert
für Dienst in diesen heiligen Hallen.
Schnell an zugewiesenen Platz
gehuscht,
Karton geöffnet.
Vorsichtig schwelgen
in alten, unwiederbringlichen Dokumenten,
Unikaten, Handschriften.
Vergangenheit seltsam lebendig
zeitlos – Zeit vergessen,
ewig sitzenbleiben im
Alten.
Der Doughnut von Randy’s
Ein jeder kennt die Form
und das Gebäude.
Randy’s
Der Riesendoughnut
Enormer Durchmesser
Errichtet auf dem Dach
So nimmt er jeden
Besucher in Augenschein.
Riesiger rosa Kreis
Süßer Blickfang
Das größte Gebäck auf dem Planeten
Was Käufer in Pappkartons wegtragen,
das residiert über allen.
Vorweggenommener Genuss
Das Auge isst eben doch mit!
Wie geschickt es manche schaffen,
ein eigenes Denkmal zu errichten.
Eines, das alle akzeptieren
und zu schätzen wissen.
Attraktion für alle!
Sogar im Flieger sieht man ihn:
Den Wahrzeichen-Doughnut
Das Unglück der Nummer 13
Diese bestimmte Nummer
bringt so vielen Kummer!
Was hat es damit auf sich?
Kommt man dem Rätsel auf die Schlich?
Dieses Zahlzeichen, ein richtig Krummer!
Durchatmen für die Königsfamilie
Erholung vom Prunk.
Sommerfrische.
Ebenerdig,
rosa, grau, weiß,
etwas gold.
Außen etwas verblasst,
aber dennoch magisch.
Traumhaft
Ruhig.
Hier war – ist Abgeschiedenheit,
Frieden auf Zeit.
Herrliche Säulen leiten
zum Garten,
von dort Panoramablick.
Mit etwas Phantasie
sieht man sie wandeln –
Marie-Antoinette und Familie,
ein wenig Glück hier
auch für sie.
Konservierte
künstliche Idylle,
auch mal Gästehaus
der Regierung,
heute Besuchern offen,
die dürfen hoffen
auf eine Insel
im weitläufigen Park.
Neue Kriegsführung aus der Luft
Klassischer Ansatz
Verstaubt und zweitklassig
Aufklärer obsolet
Der neue Krieg,
der trägt den Sieg
in der Luft davon.
Hoch oben wird entschieden,
was tief unten geschieht.
Fliegende Minibomben
Explosionen im Tiefflug
Hier verschieben sich
Kriegsgewichte,
da werden Schwerpunkte
neu gesetzt.
Am Ende wartet ein neuer Schrecken
in diesen Luftflecken.
Die Gladiatoren des Footballs
Trojanerhelm
Erhobenes Haupt
So ziehen sie ein, die
Football-Gladiatoren in die Arena.
Sportliches Schaulaufen
Elektrisiertes Publikum
Angespannte Stimmung
Ein Spiel,
das alles bedeuten wird,
alles entscheiden wird,
für die USC,
für die Trojans
und für die Spieler selbst.
Überlebenskampf
Unerträglicher Druck
Pässe des Quarterbacks,
sie enden im Nichts.
Doch einer fängt,
er läuft um sein Leben.
Touchdown!
Ein Messer an der Kehle
Es spricht sich recht schlecht
im Straßengefecht.
Mit einem Messer am Hals
hat man günstigstenfalls
ein eingeschränktes Mitspracherecht.
Aussicht auf die Eisendame
Grotesk monumental,
aus der Zeit gefallen.
Riesige Aussichtsplattform
auf die Dame aus Eisen.
Nie touristenleer,
fliegende Händler,
flinke Finger,
ewiger Kreislauf.
Täglich dasselbe Bild,
unendliche Bilder
springende Besucher
weiter unten,
Skater.
Erholung am langgezogenen Brunnen,
der nachts bläulich erleuchtet.
Die Place ist hässlich.
Die Place ist schön.
Ein einziges Mal
dort allein sein
und genießen den schönen Schein!
Werbeuniversum an Hauswänden
Plakathölle.
Bunte Werbeversprechen
hallen von den Wänden.
Leuchtende Augen
gleiten über die Fassaden.
Begehrlichkeiten per
Papier geweckt.
Jeder will es haben:
die billigen Preise,
neue Zähne,
die Reise nach London.
Ein Urwald an Träumen,
jede Hauswand
verspricht einen anderen,
sie überschreien
sich gegenseitig
im Kopf
des Werbelesers.
Die zwölf Apostel
Sie hießen Andreas, Johannes und Petrus,
Matthias, Philippus und Bartholomäus.
Zweimal Jakobus und einmal Thomas,
dann gab es noch den garstigen Judas.
Nicht zu vergessen: Simon und Matthäus.
George Washingtons Ehrung
Ein großer Name
Ein schnöder Park
Benannt nach ihm,
dem ersten Präsidenten.
Der Rasen gelb
Die Spielfeldlinien verwischt
Der Teer-Parkplatz aufgeplatzt
Kinderspielplatz zerstört
Tristesse im Park
Gewalt im Spiel
Spirale,
die nach unten führt.
Schwer zu durchbrechen
Im freien Fall zu stoppen
Gegenstemmen
Ärmel hochkrempeln
Ein Neuanfang
mit bedeutungsvollem Namen.
Er kann gelingen.
Dafür stehen Washington und sein Erbe.
Phobien und Hass gegen Spritzen
Es ist die Spitze
dieser Spritze,
die scharf angespitzte Nadel,
diese Spitze, die die Angst auslöst.
Panikattacken vor dem Arzt
Angst vor Behandlung
Selbst eine Impfung ein einziges Drama!
Hass vor der Angst
Angst vor der Phobie
Wie eine Spritze,
ihn aus der Fassung bringt!
Eine medizinische Einschränkung
Welch harter Gang zum Arzt
Schlimme Erfahrung einer harmlosen Sache!
Das Kugelkino
Silberne Kugel aus den 80ern.
Ein Spiegel
für die Außenwelt.
Innen ein Kino,
filmischer Zauber,
High End,
State of the art.
Oft 3D.
Immer viel Gekreisch,
Begeisterung,
erhitzte Gesichter.
Abkühlung draußen.
Toben auf Spielplatz.
Gigantische Drachenrutsche.
Will nicht enden,
Kindertraum!
Am Ende doch Sand,
Füße im Sand
mitten im Futuristischen
am Stadtrand.
Die Modigliani-Tätowierung
Ein gestochenes Kunstwerk auf dem Rücken
birgt so manche Tücken.
Zwar ist dies viel wert,
wenn man es von der Haut zerrt,
doch muss dies erstmal glücken!
Kommerzexzess im Fashion Center
Einkaufszentren gibt es viele,
doch dieses hier,
ist ein Exzess.
Mehrere Etagen vollgestellt,
Waren über Waren.
Es glitzert überall,
die Schaufenster bersten.
Das durchgeschleuste Publikum
konsumiert abgestumpft.
Geld für Ramschwaren
Schlechter Deal
Der Kommerz regiert ungezügelt,
Einhalt gibt es keinen.
Das Fashion Center,
wo ein simpler Einkauf ausartet.
Die dunkle Duftwelt
Eine Wandelwelt,
beständig im Unbeständigen,
Duftkreationen scheinen
zu fliegen,
auf dem glänzend schwarzen Verkaufstisch.
Unzugänglich ist die
schwarze Wendeltreppe für den Besucher.
Die Einrichtung lilafarben, ebenholzfarben
mit Ebenholztüren.
Lilafarbenes Licht.
Dunkel, voller Geheimnisse, verlockend.
Draußen der helle Park –
drinnen der Duftschrein.
Der Sehsinn unwichtig,
nur der Geruchsinn zählt.
Kein Footballspiel ohne die Cheerleader
Sie tanzen
und jubeln,
sie hüpfen
und springen.
Sie animieren
ein ganzes Stadion.
Um die Wette wird gestrahlt,
gute Laune wird versprüht,
denn es gilt
ein Spiel zu gewinnen.
Auch bei Rückstand
Bei mieser Stimmung
Ein Aufheller im Stadion
Auch sie leisten ihren Beitrag,
ein Teil der Lasten auf ihren Schultern.
Der Sieg auch ihr Verdienst,
den der Cheerleader.
Unpassender Motorenausfall
Ist man erst mal in der Luft,
landet man schnell in der Gruft.
Fällt der Motor einmal aus,
läuft es auf einen Segelflug hinaus.
Nicht landen in einer Kluft!
Modeschöpfungen im Glaspalast
Technikmonument
aus Glas und Eisen
präsentiert
Kunstwerke aus Stoff.
Es raschelt,
letzte Stiche gesetzt,
das Kleid zurechtgerückt,
den Blazer übergeworfen,
den Rock gekürzt,
die Hose verlängert,
das Oberteil veredelt.
Modegeschöpfe
gleiten
über den Laufsteg,
beschienen vom
Sonneneinfall
durchs
glasgewölbte
Kuppeldach.
Interessiertes Publikum,
gierige Medien
greifen
nach den neuen
Entwürfen.
Kunstvollen Näherinnen
gehört
der eigentliche Ruhm.
Ihre Gesichter
unbekannt,
ihr Talent
verkannt.
Kufen in der Stadt
Schnell ist sie aufgebaut
die Eisfläche.
Aufbereitet und poliert
Ein weißer Spiegel
als Boden.
Ausgetauschte Böden
jeglicher Konsistenz
Sie machen alles hier möglich.
Leute ziehen ihre Runden,
in diesem berühmten Kreis.
Höhepunkt aller Künstlichkeit
Vortäuschen von Eis
Illusion eines Winters
Traum vom Winterdorf
Die nächste Großstadtlüge,
größer als die vorherigen.
Der zeitlose Komiker
Ein Choleriker
kokettiert
mit der Kamera.
Grimassen
schlüpfen in die Rolle
des ewigen Gendarmen,
Familientyrannen,
kuschenden Kleinbürgers.
Louis de Funès‘
Gestik und Mimik
stehlen sich davon,
führen Eigenleben.
Der Durchbruch
wartete Jahrzehnte,
dann ein Gipfelstürmer
der höchsten Kategorie.
Populärer Volkskomiker
überzeitlichen Charakters.
Der Umtrunk zum Schuljahresende
Hat der Lehrer die Noten ausgespuckt
und sind die Zeugnisse gedruckt,
dann kann man auch mal einen trinken
und den Schülern zum Abschied zuwinken.
Manch Pennäler dumm guckt.
Der begnadete Hundeflüsterer
Falls der Hund sich mal eine Pfote bricht,
der Flüsterer dann zu ihm spricht.
Statt dass der Vierbeiner anfängt zu beißen,
wird der Aggressionsfaden reißen.
Der Hund merkt schnell, der meint es gut,
leckt ihm das Gesicht und würde ziehen seinen Hut.
Zum Vierbeiner hat er ein besonderes Verhältnis,
schenkt ihm ein mit Hundefutter gefülltes Behältnis.
Zwei Freunde für ein Hundeleben!
Der verschollene Leser
Ein zartes Erkenntnispflänzchen,
in weiterer Recherche begießen.
In der Nationalbibliothek
neue Perspektiven,
vertieftes Studium
an langen Tischen,
täglich, wöchentlich.
Ideenflut bordet über,
die Nationalbibliothek
das Heim,
die Wohnung jetzt Schlafstatt.
Der Lesemarathon,
Recherchedauerlauf
dauert an,
immer mehr Erkenntnisse,
vertiefte Perspektiven.
Das Leben draußen:
uninteressant!
Zwischen Büchern,
zwischen Seiten,
zwischen Zeilen.
Verschwunden im Bücherkosmos
Lange, schweißtreibende Verhandlungstage
Kein unbeschriebenes Blatt
Ein dickes Dossier
Der Richter scheint nervös.
Noch ist von ihm
nichts zu sehen.
Zähe Verhandlungstage,
manche Tage vorbeigezogen,
andere Tage kommen noch.
Doch alle waren gleich.
Die Anstrengung im Gesicht
Der Schweiß im Nacken
Da hört er Schreie,
ein lauter Knall,
Schritte hallen,
der Angeklagte,
nun ist er da.
Nur ein Bad pro Woche
Wer manchmal etwas strenger riecht,
sich nur selten in die Wanne verkriecht,
wer die tägliche Waschung ablehnt,
der nicht gerade die Bakterien zähmt:
Die Sauberkeit dahingesiecht!
Einkaufen im Miniformat
Sie sind winzig.
Sie sind praktisch.
Sie sind überall.
An Ecken,
unten im Wohnhaus.
Sie passen überall rein.
Sie sind das ideale Geschäft
des gestressten Städters.
Aus der Métro raus,
in den Minisupermarkt rein.
Schnell zwei, drei Dinge erstanden,
ab nach Haus.
Aufs Sofa,
zu den Kindern.
In den Winzlingen
penible Ordnung.
Nicht alle Waren,
aber die wichtigsten.
Sie sind die Lieblinge
der Touristen.
Eine Limonade, eine Baguette,
gute Picknicklieferanten.
Ohne Minisupermärkte
wäre Paris abends sehr hungrig.
Invasion der Maler
Ein Freiluftatelier.
Das bekannteste der Welt.
Place du Tertre.
Die Stifte huschen
übers Papier,
Pinsel schwenken,
die Kreide bebt.
Maler bei der Arbeit.
Streng reglementiert.
Kunst nach Maß.
150 Künstler gleichzeitig.
Ausstellung auf einem Quadratmeter,
zwei Maler, ein geteilter Platz.
Vertragsverlängerung
jedes Jahr aufs Neue.
Lange Warteliste.
Neue brauchen Geduld.
Vorne Pariser Monumente,
hinten Portraits.
Vieles farbenfroh,
wild,
graphisch.
Montmartre,
die Künstlerhochburg
aus dem neunzehnten Jahrhundert
lebt im Kommerz weiter.
Malerei zum Anfassen,
Malerei zum Mitnehmen.
Schneller Konsum erwünscht.
Bleibt etwas hängen?
Berührt es den Betrachter?
Klingt etwas in ihm nach?
Unkontrollierbare Nachrichtenflut
Nachrichtenströme tosen
um den Erdball.
Sekundenschnell verbreiten
sich Wahrheit und Lüge.
Unaufhörlich rattert
die Nachrichtenmaschine,
spuckt ihre unfertigen
Produkte aus, wirft
sie rund um die Welt.
Die Rezeption immer schneller,
oberflächlicher,
gefestigtes Wissen Mangelware.
Ein Nachrichtenstrom
außer Kontrolle.
Der stille Turm
In der Natur steht er ganz still,
so unauffällig, wenig schrill.
Er passt sich gut an dem Wald,
denn schon verschwindet er bald,
wenn erste Blätter sprießen im April.
Im Kitsch schwelgen
Im Privathaus nächtigen.
Blick über die Stadt.
Bewohner auf Zeit sein.
Eintauchen in das Künstlerdorf,
die Postkartenidylle,
die Touristenfalle.
Nepp, Tand, Trödel.
Paris im Kleinformat,
Montmartre bietet es,
die Schmuckschatulle
der Hauptstadt.
Einmal Montmartre-Jünger,
immer Montmartre-Jünger.
Rauf auf den Hügel,
weg aus dem Dunst.
Hier lebt es sich höher,
kitschiger, schöner.
Keine Ameise
aus dem Talkessel sein,
ein Schmetterling
des Hügels
mit der weißen Kirche.
Krisensitzung mit Ronald Reagan
Anruf von Sacramento
Regierungskrise
Ein Haushalt in Nöten
Man weiß nicht weiter.
Stille Flure im
Ronald Reagan State Building,
so still, dass keiner zuckt.
In LA ist man weit weg.
Hauptstadt weiter nördlich.
Sollen die da oben doch entscheiden!
Hier unten wird man
ohnehin stets überstimmt.
Los-Angeles-Lethargie
Dieselbe Antwort
auf viele stumme Fragen!
Das Boot vor dem Bahnhof
Von den Wellen geborgen
in den Schlaf gesungen.
Mitten in Paris.
Vor einem ehemaligen Bahnhof,
verwandelt in ein Kunstparadies.
Dort liegt ein Boot.
Hausboot.
Mein Haus.
Ohne Uhr,
nur im Rhythmus der Seine.
Es treibt vor sich hin.
Menschenbetrachtungen
vom Wasser aus.
Keinem Ufer mehr angehören.
Für sich sein.
Glücklich sein.
Es kuschelt mich
in den Schlaf.
Mein Hausboot
vor der Gare d’Orsay.
Straßensperren durchbrechen
Sperren werden einfach durchbrochen,
es brechen dabei so manche Knochen.
Ernst nimmt den Rechtsstaat keiner mehr,
er setzt sich auch nicht mehr zur Wehr
und das schon seit so vielen Wochen!
Funkelnde Weihnachtsilluminationen
Mal rot,
mal gold,
jedes Jahr
ein neues Motto.
Nur hell
muss es sein,
funkelnd,
strahlend.
Die Champs
legen den Weihnachtsschmuck an,
verwandeln
den Autoalptraum
in eine Lichterkulisse,
trotzen dem Herbststurm,
wogen
im leichten Winterwind.
Sie entzünden
Vorfreude
im naiven Besucher,
weihnachtskommerzvergessen
betrachtet er glücklich
das Lichtermeer
bis zum Triumphbogen,
zum Leuchtturm.
Schiffscontainer gehen um die Welt
Die bunte Containersammlung,
sie wird verschifft
rund um den Globus.
In alle fernen Länder dieser Welt,
da gehen sie hin die Container.
Ladungen über Ladungen
Immense Warenberge
Das Metall umschließt
die verschiedensten Inhalte.
Kostbare Fracht
Ramsch und Tand
Müllberge und Drogen
Alles Mögliche befindet sich hier.
Und so genau,
möchte man es
gar nicht wissen.
Ein miserabler Kundendienst
Der Kunde ist der König nicht,
so wie der Verkäufer zornig spricht.
Hier wird man eher als Hund behandelt,
wenn man durch das Geschäft wandelt.
Der Kundenstamm bald wegbricht!
Die enge Wendeltreppe
Zugang
zum Triumphbogen
über eine Wendeltreppe
der engen Sorte:
Sie windet sich
hinauf
auf die Plattform,
beklemmend
eng,
beklemmend
schmal.
Der Triumphbogen,
so großartig außen,
so verwinkelt innen.
Ein steiler Anstieg,
eine Stufenflut
hinaufschwimmen.
Der Abgang
in gleicher Manier
gestaltet,
ein Abstieg in Stufen,
auf schmalen Absätzen.
Besucher, Obacht!
Aufenthalt im Weinparadies
In den Hängen der Ahr
wurde mir gewahr,
wie schön diese Reben
wachsen der Sonne entgegen.
Oh, das ist fürwahr!
Ende
© 2021 Nicolette Marquis https://www.carminis.de