2000-2001Gedicht

Gedicht und Limerick – Schaffensphase September – Oktober 2000






Das Marschland von LA

Wasser und Schilf
Grün und blau
Kontrastfarben
einer Kontrastlandschaft.

Ein Marschland aus dem Nichts.
Wer hätte gedacht,
dass LA so etwas birgt?

Comeback der Natur
Sie holt sich zurück,
was ihr genommen.

Der Beton zerbröselt,
der Stahl verrostet,
das Menschengemachte schwindet
mehr und mehr.

Natur und Großstadt
Das Grüne und das Grelle
Zwei sich ausschließende Welten
Wer behält die Oberhand?

Interessanter Wettlauf
Edler Wettstreit
Das Moderne und das Urzeitliche
Marschland der Superlative
In einer Stadt, die immer schläft.




Umweltschäden im Dorf

Man hatte es geahnt,
befürchtet
und vorhergesehen.

Ein angstvoller Blick in die Zukunft,
Ahnung voll grausamer Gewissheit.

Irgendwo bleibt es.
Dieses kleine Dorf,
umzingelt von Industrie.

Eine grüne Oase,
so malerisch pittoresk,
vom absoluten Gegenteil umgeben.

Umweltopfer
Umweltschäden

Man nimmt sie,
kaum noch wahr.
Ans Stadtbild
gewöhnt man sich.
An die Schäden
schließlich auch.

Quälende Gewohnheit
Gewöhnung an den Ausnahmezustand

Ein Dorf hat aufgegeben,
ist bald auch aufgegeben.
Dorfgemeinschaft im Schlaf
Dorfleben am Ende




Der Revolutionsstart fern der Heimat

Aus einem anderen Land
hält er die Zügel in der Hand
und startet mit einer scharfen Resolution
von dort eine Revolution.
Doch die fährt er an die Wand!




Ein Fluss in der Stadt

Glitzernd
liegt sie in ihrem Bett,
ein goldenes Band
quer durch die Stadt
gezogen.
Sie teilt,
umspült Inseln,
betont Bauwerke.
Sie ist ein Weg
des Abstands,
der Ruhe.
Wer sie befährt,
entrückt er ist,
neue Perspektive,
Langsamkeit.

Eine Schnellstraße
der Behäbigkeit.
Treiben
über das trübe Wasser,
die braune Brühe,
verklärt zur Romantikbühne.
Es zieht die Bewohner
an die Ufer,
im Winter nie gefroren,
der stete Fluss
fließt weiter,
sah viele kommen,
sah viele gehen.

Der Hektik enthoben.
Alles weit weg.
Avenue der Stille.
Warum so verkannt?




Ein Hügel zieht an

Ein Hügel für sich,
altbekannt,
eng untereinander verwandt.
Wölbt sich empor
aus des Stadtes Schlund,
dem Himmel näher,
die Parks bunt,
Kuriositäten, Originale
wandern umher.

Langsamkeit dehnt sich aus,
greift nach des Touristen Unruhehaus.
Schwere, müde Schritte,
viele Stufen,
noch eine Windung.

Vieles verrufen,
am Fuße Laster,
droben Farbenraster.
Enge Winkel,
schmale Gassen,
verborgen ein Dorf
in Millionenmassen.
Es behauptet sich,
trotzt dem Ausverkauf.
Keine Touristenhölle,
nur Urlaubsbrauch.
Wer einmal da,
immer wiederkehrt,
süchtig nach dem Pariser Dorf.




Der neue Haus-Assistent

Er kümmert sich um Hof und Haus,
bringt den Müll regelmäßig raus,
hat einen 15-Stunden-Tag,
auch wenn er manchmal nicht mehr mag,
bekommt für seine Arbeit nie Applaus.




Abgetaucht im Museumspalais

Belle Epoque-Eleganz!
Monumental,
sandfarben.
Wirkt wie neu,
unverwüstlich.
Sah Menschenmassen
hinein- und hinausgehen,
heute Touristenschlangen.

Drängelei in Ausstellung,
überdimensionierte Fenster,
gigantische Hallen,
der Mensch – winzig klein.
In dem Bau, den er selbst erschaffen.

Herrlicher Garten
mittendrin, eingeschlossen.
Café auf dem Kies,
Pause in der verlorenen Zeit.
Geborgen mitten im Stadtherzen,
abgeschieden,
Verkehrslärm von Weite.
Es beruhigt,
die Größe macht andächtig,
aus dem Monumentalen
trippelt der Einzelne ganz klein.

Draußen ringeln
sich schon die nächsten
Touristenschlangen.
Nicht jeder hat Augen
für diesen besonderen Ort.




Der nimmermüde Feind

Immer lebendig
Stets emsig
Und brandgefährlich

Müdigkeit?
Die kennt er nicht,
für ihn brennt ewig sein Licht.

Antriebsschwach?
Das war einmal!
Heute ist er nur eine Qual.

Ruhe gibt er keine mehr,
denn sein Fanatismus
macht keinen Kehr.

Lieber sterben, als aufgeben.
So kann man sich nur aufregen!
Gegen so einen Feind,
kann man ausrichten nichts.
Gewinnen schon gar nicht,
das wird einfach nichts.




Sabato Simon Rodia: Der unbekannte Künstler

Ein Italo-Amerikaner,
den keiner kennt,
der ein Wahrzeichen schuf,
das alle besuchen.

33 Jahre geopferte Lebenszeit
Schweiß und Tränen
für die Watts Tower.

Unbändigkeit am Bau
Besessenheit bei der Ausführung
Man legte ihm Steine
in seinen Künstlerweg.

Er sprang darüber,
kletterte hinauf
und erschuf sich am Gipfel selbst.

Er war es,
der dem Viertel
sein Markenzeichen
verliehen hat.




Massenpicknick in Weiß

Jedes Jahr im Juni
besetzt der weiße Mob
zentrale Plätze.

Anarchie auf Zeit,
militärisch organisiert.
Picknick mit Kristallglas,
Delikatessen von Hédiard.

Alle sitzen zusammen,
schlemmen,
parlieren,
goutieren Atmosphäre.

Später am Abend
Musik und Tanz,
halbwegs zivilisiert,
tausende Fotos,
Filme,
Zeugnisse der
anarchischen Geschehnisse.
kurz vor Mitternacht
Wunderkerzen,
auf Bänke steigen,
weiße Schals schwingen,
grölen wie Fußballfans.

Paukenschlag 12,
alles verschwindet,
taktischer Rückzug,
in Palais,
in Villen,
in Stadthäuser,
in Grandhotels.
Zurück bleibt…
Nichts!




Die Los Angeles Lakers ziehen weg

LA Lakers
und Inglewood:
Eine enge Beziehung.

Der Verein wurde hier heimisch.
Zusammenhalt
Im Basketball
Eine Heimat
Ein Verein

Das Gefühl von Gemeinschaft
Die Idee einer Sportgemeinde
Viertel erst vollständig mit Sport
Geeint mit einer Stimme

Trennungsschmerz
Wegzug
War alles nur Trug?
Die Idee unwahr?
Etwa ein gigantischer Gemeinschaftsbetrug?

Wer füllt das Loch?
Wer tritt in die Fußstapfen?
Kann es überhaupt einen Nachfolger geben?

Leere auf dem Feld
Inglewood trauert

Ein Viertel weint
und das wohl noch
für sehr, sehr lange Zeit.




Mord im Kloster

In diesen heiligen Hallen
muss man einen Mörder krallen,
der dort sein Unwesen treibt
und sonst ungestraft bleibt:
Eine Unrecht gegenüber allen!




Das Restaurant des blauen Zuges

Mythischer Zug des Orients,
der aber ewig stillsteht
in der Gare de Lyon.
Nicht auf dem Gleis
er steht,
auf der ersten Etage.

Prachtvolle Opulenz.
Gold, bordeaux.
Gediegenheit,
ewig gestrige und
doch
aktuelle Vornehmheit.

Auf den Tellern spiegelt
sich das Dekor,
es ist gehoben,
nicht abgehoben,
ein Genuss
innerlich – außerlich.

Das Zahlen,
man zögert es hinaus,
würde gern ewig
hier drin weiterrattern,
zumindest in Gedanken.
Ah, wie zauberhaft
ist doch der herrliche
blaue Zug!




Kurvige Wüstenpisten

Wann erscheint das Dorf?
Das Dorf der Wüstenstadt?
Kleine Oase der Friedfertigkeit

Hinter tausenden Kurven,
den steilsten Pisten,
den steinigsten Wegen,
irgendwann muss das Ziel
erscheinen.

Abhänge der Wüste
Schatten der Berge
Ein Staub,
der sich über alles legt.

Das Dorf, als Sehnsuchtsort,
als Ort, des stillen Ruhens.
Das Ende der Wüste…




George Lucas als Professor?

Expertenwissen,
das es aufzusaugen gilt.
Vom Meister der Filmkunst,
höchstpersönlich.

In Szene gesetzt,
eine Fakultät für Filmwissenschaften.
Akademische Rarität
Nur die School of Cinematic,
kann sich damit schmücken!

Der Star Wars Erfinder,
er spendet Unmengen.
Millionen fließen hinein.

Die Hochschule und der Milliardär:
Beide profitieren.
Eine Hollywood-Symbiose,
die es nur einmal gibt.




Ein Smoking auf Abwegen

Wer gut gekleidet den Weg verlässt,
der ist ganz schön schnell gestresst.
Auf dem Anzug der erste Schlamm,
der auf den guten Stoff übersprang.
Besser, dass man es beim Weg belässt!




Der nimmersatte Schlund

Ehemaliger Bauch von Paris.
Markt über Jahrhunderte,
erst klein, dann zentral.
Voller Leben
bei Tag, bei Nacht:
Lieferungen,
Schreien,
Feilschen,
Aufräumen.

Obst, Gemüse, Fleisch
aller Sorten, aller Arten.
Geruchssinfonie,
Gestankkonzert.
Voll, deftig, derb –
das pralle Leben
unter den Pavillons,
mintgrün bemalte Eisenkonstruktionen
gewölbte Dächer
zur Seite offen.

Ein Theater des Lebens,
Vorstellung durchgehend
umsonst.
Überall Hauptdarsteller,
starke Charaktere,
Unikate.

Ab den 60ern geschlossen.
Transferiert in Peripherie,
an den Rand gedrängt,
abgeschoben,
Paris -seines Bauches enthoben.
Welch ein Verlust!




Der Traumbringer

Plakatekleber
durchstreifen
die Stadt.
Ihre Haltestellen:
Litfaßsäulen:
Singer-Maschinen,
Schmuck,
Alkohol.

Ausrollen,
Kleber,
Festpappen.
Weiter!

Träume des Alltags,
Träume für den Alltag.
Schlecht bezahlt,
doch lebensnotwendig,
der Traumbringer
bringt immer weiter Träume,
die für ihn unerschwinglich.

Die Plakatbilder
für ihn Trugschlösser.




Blutbad beim Juwelier

Mitten im Goldrevier
trifft es den Juwelier.
Gestohlen wurden Uhren und Ketten,
jeder konnte sein Leben retten.
Es fehlt allerdings ein teurer Saphir.




Besserer medizinischer Zugang

Charles R. Drew
und seine Universität
Eine Institution,
die geschätzt wird,
dort wo der Zugang,
so spärlich ist.

Medizinische Versorgung
Ein Menschenrecht
Hier ändert sich was.

Die CDU,
sie bewegt,
und lehrt.

Selbsthilfe in Compton
Das Gefühl etwas zu ändern
Selbstwert gesteigert

Eine Idee,
die Schule macht,
oder besser Uni macht.




Eine gönnerhafte Tochter

Verzogen und stark verwöhnt,
hat sie sich an Luxus gewöhnt.
Gönnerhaft nickt sie alles ab,
hält die Bediensteten auf Trab.

Ein Leben im satten Überfluss
sorgt am Ende nur für Verdruss.
Damit ist ihr nicht geholfen,
wirkt sie doch so unbeholfen.

Undank ist ihr ganzer Charakter
Kein Wunder bei diesem Leben!
So viel Geld, so wenig Glück,
da will man ins normale Leben zurück!




Wirrnis im Wachsfigurenkabinett

Täuschendes Spiegelkabinett,
wo die Grenze zwischen
Wirklichkeit und Wachs
verschwindet.
Altmodisches Flair,
Holzboiserien.

Eintauchen in neue Welt.
Bekannte Gesichter:
geschichtlich und aktuell,
lebensecht,
einige täuschend,
alle für ewig
im Moment gebannt.
Ewige Wachsfigur,
Lächeln festgefroren,
Bewegung nie vollendet,
Frisur immer perfekt,
Outfit ewig gleich.

Komisches Gefühl
Napoleon gegenüberzutreten,
– wie klein – .
Einstein
– wie wirrköpfig –.
Puppen,
keine Reaktion,
Abziehbild,
3-D-Porträt.

Grévin verwirrt
nach dem Besuch.
Realität seltsam,
erst zurückfinden,
das Spiegelkabinett
verwirrt mehr als erwartet.




Ein Blitzgespräch

Hat man einen fixen Mund,
kommt man schnell auf den Punkt.
Man spricht die Sachen schneller an,
solch ein Gespräch dauert nicht lang
und hält Beziehungen gesund.




Der ewige Spaziergang ohne Himmelsrichtungen

Ein endloser Spaziergang
in einer gelben Wüste,
die sich in alle Ewigkeit
zu strecken droht.

Ein Strand zum Verlaufen,
zum Verlieren.
Orientierung verloren
Die Himmelsrichtungen,
sie scheinen nicht mehr
zu existieren.

Geht man im Kreis?
Geht man zurück?
War man schon hier?
Oder sieht man Neuland?
Ein komisches Vorwärtslaufen,
so richtungslos am Strand.




Gebrauchte Kleidung an jeder Ecke

Zugang nach Läuten.
Penibel gefilterte Kundschaft.
Fashionvictims notieren
die Adressen.
Nach langem Sehnen,
nach langem Warten
prangt in einer der Boutiquen
ein Traumkleid,
ein perfekt sitzender Mantel.

Ältere Kleidungstrouvaillen
warten in beiden Filialen an
der Galerie de Valois oder
der Galerie Montpensier.

Das Stoffalter schmälert
den Wiederverkaufspreis,
gänzlich ohne Wert nie.
Vintage kleidet
vornehmlich in kleinen Größen.
Wilde Farbkombinationen
sehr nachgefragt.




Fernsehen von Amateuren für Amateure

So nah an Hollywood,
da braucht man seinen Sender.
Und zwar seinen ganz eigenen.

Der Trojan Vision-Sender glänzt,
mit eigenen Inhalten.
Ein Gewinnerformat
USC-Informationen aus
allererster Hand
in allerschnellster Zeit

Filmisches Studentenprojekt
Mise en Scène eines Senders
Uni trifft auf bewegtes Bild
Gesamtkunstwerk

Doch der Hauptkonkurrent?
Youtube schläft nie.
Goliath gegen David
Ein ungleicher Kampf
von ungleichen Formaten




Der überstürzte Fallschirmabsprung

Ist man bereits abgesprungen,
macht man so manche Verrenkungen.
Man möchte den Fall aufhalten,
doch niemand kommt an gegen Schwerkraftgewalten,
schon gar nicht ohne Fallschirmausstattungen.




Trubelpause

Die quirlige
rue St. Antoine
weit weg,
obwohl nur einen Torbogen entfernt.
Diesen durchschritten,
im Gartenparadies
des Sully-Hotels eingetreten:
abgeschieden, ruhig, beschaulich.
Man atmet auf,
denkt nach,
Paris so fern –
Paris so nah.

Pause in der grünen
Gartengeometrie.
Müde Besucherfüße
regenerieren
im Rekordtempo.
Sandscharren,
Bänkchenknarren.
Der Garten eine Seifenblase
im kochenden Hauptstadtkessel.




Der Tannenbaum-Gigant als neuer Götze?

Die stille Weihnachtszeit
hört auf zu existieren.
Hier herrscht der Kommerz,
der den Ton angibt.

Weihnachtsexzesse kennt man hier,
aber der Höhepunkt kommt jetzt.

Künstliche Weihnachtswelt
Nussknacker aus Plastik
und ein industrieller Tannenbaum.

Der Baum,
der Mittelpunkt
des ganzen Adventsspuks.

Eiskunstläufer umkreisen ihn.
Wie ein Götze
thront er
auf der Fläche.

Als hätte Weihnachten
einen neuen Heiland gefunden.




Komiker mit Herz

Ein Clown zog aus
die Kabarettbühnen,
das Radio zu erobern.
Künstler mit eigenem Namen,
nach dem Heimatort
der Mutter, Bourville.

Bewunderer Fernandels.
Der Film
entdeckte Bourvil spät.
Der naiv-freundliche Gegenspieler
zum Choleriker vom Dienst,
Louis de Funès.

Ein Setzling des Chansons,
später dort beheimatet.
Im kollektiven Gedächtnis
auch jetzt noch mitgesummt.




Ein anrüchiges Zeugnis

Bei den ganzen schlechten Noten
platzt einem schon mal der Knoten.
Überall steht ein Mangelhaft,
bald wird jemand hart bestraft
und so einiges verboten!




Die Ärztin des Vertrauens

Hat man erst eine Ärztin gefunden,
der man anvertraut seine Wunden,
dann kommt man immer wieder zu ihr zurück,
zu groß ist einfach dieses Glück,
eine gute Ärztin gefunden zu haben,
an der die Patientenseele sich kann erlaben.

In der Medizin ist das Vertrauen
das Wichtigste, darauf kann man bauen.
Gibt es zum Patienten eine Brücke
schließt das so manch medizinische Lücke.




Beruhigende Gartensymmetrie

Unterhalb des Bürgersteigniveaus
leiten Stufen aus Stein
in eine vollendete Welt
symmetrischer Hecken
Blumen.
Durchgeplantes Gartenwunder.
Spazieren auf gewundenen Wegen,
Ausruhen auf Parkbänken.

Symmetrie gibt Ruhe,
lenkt den Blick ins Klare.
Der Garten des Hôtel de Sens
umstanden von Gebäuden,
nur nach einer Seite offen.

Außerhalb trapsen
eilige Schritte
zur Insel Saint Louis,
andere ins Marais,
doch hier im Geometrieparadies
herrscht symmetrische Ruhe.




Die Reise der unsichtbaren Trennung

Die blaue Linie
Die A-Linie
Die, die ins Nichts führt
und aus dem Nichts kommt.

Richtung Norden
Aus dem Elend weg
Schnelle Beschleunigung
Ins sichere Gebiet
Raus aus dem Ghetto
Rein nach Downtown
Eine Reise der Gegensätzlichkeiten

Soziale Schichten,
sie steigen ein und aus.
Sie sehen sich,
aber ignorieren sich.
Sie hören sich,
aber schweigen sich aus.

Eine Metro der
unsichtbaren Trennung.
Verkehr verbindet Stadtteile,
aber keine Menschen.




Zwei Gleichgesinnte schmieden einen Plan

Treffen sich zwei Gleichgesinnte
zu einem Gedankensprinte
und hecken einen Plan aus,
doch leider wird nichts draus,
so teilt man sich eine Printe.




Eleganz des Feierabends

Elegante Anzüge,
knappe Kostüme
schwemmen auf die Straße.
Es ist fünf.
Büroschluss.
Die Banken spucken die Blazer aus,
die Jacketts.
Ein gut gekleidetes Meer wogt dahin,
spült viele in die Métro,
einige in den Bus,
die glücklichen ins eigene Auto,
vielleicht mit Chauffeur.

Es ist ein Theaterstück.
Jeden Tag zur selben Zeit.
Es ist koordiniert,
wirkt wie choreographiert.
Dabei ist jeder Laiendarsteller
und doch hochprofessionell.

Für die schönen Gebäude
hat niemand einen Sinn,
noch weniger ein Auge.
Die Sorgen drücken auch hier,
im schicken Büroviertel,
die Schultern hinunter.




Uriges Restaurant auf dem Hügel

Es zieht uns dahin.
Immer wieder, unabänderlich.
Ein kleines Restaurant.
Eine Wohlfühlhölle
scharfer Speisen,
garniert mit einem Blick
auf die weiße Kirche.
Ein Stilmix.
Am Abend wie Zucker.

Zur blauen Stunde
blaue Cocktails,
Gläsergeklirr,
perlendes Lachen,
Diamantfunkeln
in der Ferne,
ein Gruß
der eisernen Lady
zum Gaumenschmaus
im Hügelrestauranthaus.




Der Dank geht an die falsche Adresse

Dankende Worte, Balsam
für die Eifrigen
erreicht die Falschen.
Die Eifrigen warten,
der Dank verschwunden,
einmal an die falsche
Adresse zugestellt,
für immer verschollen.

Fehlende Anerkennung
stürzt die Engagierten
in Abwärtsspirale.
Ihr Eifer erlahmt,
ihr inneres Strahlen
erloschen.
Ein fehlgeleiteter Dank
macht alle Engagierten krank.




Angriff mit Senfgas

Es ist ein starkes Gift,
trägt die Todeshandschrift.
Es kommt in Schwaden geflogen,
macht um niemanden einen Bogen
und jeden es trifft.




Ode an die Weiblichkeit

Eine schmuckige Schatulle
voller Düfte, Cremes, Essenzen.
Für alle Fans der Rosa-Kitsch-Fraktion.
Nüchterne, draußen bleiben!
Opulent, riechvoll, bombastisch.
Rüschen, Seide, Dekorations-Overkill.
Le rêve rose, der rosa Traum.

Eine Verheißung vollkommenen Frohsinns.
Gute Laune aus der Tube, aus dem Flacon.
Stundenlanges Probieren.
Nischen, Ecken, Erker.
Gemütlichkeit aus jeder Pore.
Es riecht, es duftet, es lockt.

Eine Parfümerie im Dorf auf dem Hügel.
Spleenige Montmartrer, eigenwilliges Geschäft.
Eine Ode an die Weiblichkeit.
Realität gewordener Traum.
Abtauchen ins Königreich der Düfte.
Immer neue Göttinnen strömen hinaus.




Das gläserne Bundesgericht

Glaskubus
Perfekt harmonischer Quader
Ausmaße einer peniblen Struktur

Ein Gericht auf Kante
Das US Courthouse nennt es sein Eigen
Bundeseigentum

Bundesgesetze herrschen,
nicht nur hier.

So manche Schlacht
wurde hier geschlagen
ausgefochten
und gewonnen!

Durchsichtig und transparent,
ein hoher Maßstab für alle,
Vorbild für die Bürger.
Glasklarer Fall




Der Senatsgarten erwacht

Köpfe aus dem Boden.
Erst weiß,
dann blau,
dann gelb.
Frühlingsboten.

Der Garten erwacht,
schüttelt sich,
streckt sich.
Der Winterschlaf,
ein langer Schlaf.

Neues Leben
strömt auf die Alleen.
Zarte Sonnenstrahlen
benetzen gestresste Häupter,
begießen die ersten Blümchen.

Eine Vorahnung
wärmerer Temperaturen
geistertet durch
den Jardin du Sénat.




Eine Fahrradexpedition nach Spanien

Eine Fahrradtour durch Spanien
führt erst mal durch Belgien und Gallien.
Dann fängt das Pedalen-Treten an
und dauert noch ziemlich lang,
bis man ankommt in Iberien.




Joggen auf der Abgasstrecke

Eine lange Strecke,
eine bekannte Strecke,
eine verpestete Strecke,
eine umkämpfte Strecke,
eine besuchte Strecke,
eine kommerzialisierte Strecke,
eine einwohnerlose Strecke.

Die knapp zwei Kilometer
spornen an,
fordern heraus,
hinauf, hinab,
wieder zurück,
von vorn.
Das Joggen
wird zum
Gesundheitstest.
Die Abgasstrecke,
der Härtetest.




Die hässliche Mündung des Flusses

Ein Kanal findet sein Ende,
der LA River mündet hier.
Schön war er nie,
eingepresst in ein Betonbett
windet er sich durch ganz LA.

Die Windungen,
sie enden
zwischen Long Beach
und Hafenstadt.

Die Queensway Bridge,
sie schaut sich
das traurige Ende
jeden Tag aufs Neue an.

Das Wasser,
es flüchtet
in den Pazifik,
bloß schnell weg
aus dem LA River.

Von Süßwasser zu Salzwasser
Eine grässliche Mündung,
er hätte mehr verdient.




Zu Gast auf einem Frachtkahn

Mit Seemannstracht
neben der Fracht
wird man befördert auf dem Kahn
nicht grad wie in der Eisenbahn
in schönster Zugabteilspracht.




Die leergefegte Stadtarterie

Ein mitternächtlicher Spaziergang
über die berühmteste Avenue:
leergefegt.
Als hätte es sie nie gegeben,
die Abermillionen Touristen,
die tagsüber
in einem unaufhörlichen Strom
hinauf- und hinabschwimmen.

Paradiesische Ruhe,
ein gelegentliches Auto,
Freiheit!
Mitten in Paris.
Ungehinderte Sicht
in beide Richtungen,
auf den Arc de Triomphe
auf den Obelisken.

Majestätische Erhabenheit
thront
über der Szenerie.
Es schwebt
ein Band
der Ewigkeit
über der zentralen Stadtarterie.




Wenn die Truppe sich selbst lahmlegt

Sich mit einem Panzer im Wege stehen,
gehört zu keinen guten Ideen.
So kann man sich auch selbst lahmlegen,
wenn keiner sich kann mehr bewegen,
nicht mal mehr richtig drehen.




Ende

© 2021 Nicolette Marquis https://www.carminis.de